„Der Alte“ des U-Bootes U 96, den der Autor Lothar Günther Buchheim in seinem Roman verherrlicht, hieß im wirklichen Leben Heinrich Lehmann-Willenbrock. Buchheim stilisierte den Kommandanten im Rang eines Kapitänleutnants zur Heldenfigur im Stil der damaligen Zeit. War er dies wirklich?

Gerrit Reichert recherchierte vier Jahre zur Biografie von Heinrich Lehmann-Willenbrock sowie zu dem über viele Jahre freundschaftlichen Verhältnis zu Buchheim. Herausgekommen ist ein Werk, das die Darstellungen im Roman und Film „Das Boot“ über den U-Bootkrieg und insbesondere auch die dem Roman zugrunde liegende siebente Feindfahrt von U 96 in vielen Teilen nichts mit der Realität und dem wirklichen Wesen des „Alten“ gemein haben. Nun liegt die zweite, überarbeitete Auflage vor.

Wichtige Erkenntnis erfuhr der Verfasser durch das Tagebuch des ehemaligen Leitenden Ingenieur von U 96, Friedrich Grade. Dieser hatte, obwohl damals unter Strafe verboten, Aufzeichnungen zum täglichen Bordbetrieb geführt.

Herausgekommen ist ein Buch, das die Lebensgeschichte des ehemaligen U-Boot-Kommandanten von der Kindheit als Waise bis zum Kapitän des einzigen Atomfrachters Deutschlands, der „Otto Hahn“ detailliert zeichnet. Dabei entzaubert er den Bestsellerautor Lothar Günther Buchheim und besonders seine Erfolgsromane „Das Boot“ (1973), „Die Festung“ (1995) und „Der Abschied“ (2000). Viele der in den Romanen dargestellten Erlebnisse sind stark überzogen und teilweise frei erfunden. Buchheim verfasste diese Werke in seiner in der Ausbildung zum Kriegsberichterstatter erlernten, propagandistischen, verherrlichenden Art. Er ließ keine Einwände seines damaligen Freundes Heinrich Lehmann-Willenbrock gelten, besonders die, die dieser vor der Veröffentlichung des Romans „Der Abschied“ angemerkt hatte. Lehmann-Willenbrock wollte mit den Einwänden vermeiden, dass die Leser durch den Roman ein falsches und verherrlichendes Bild der Umstände an Bord eines U-Bootes auf Feindfahrt bekämen. Buchheim zeigte keinerlei Einsehen, sich auf die Kritik einzulassen, ja, er ignorierte sie. Er wollte den Erfolg und dafür nahm er sogar in Kauf, dass die über vierzig Jahre währende Freundschaft zu Bruch ging. Er erfand Szenen frei, um den oft eintönigen Bordalltag aufzulockern, obwohl er immer wieder betonte, dass er keine Fiktionen, sondern die Wahrheit in seinen Werken abbildet.

Erst ganz kurz vor seinem Tod 2007 gab Buchheim zu, dass er einst zur elitären Propaganda-Einheit „Staffel der bildenden Künstler“ gehörte.

Ein Buch, das alle, die von dem Roman und dem Film „Das Boot“ fasziniert sind, unbedingt lesen sollten, um die Diskrepanz zwischen Realität und Fantasie zu erkennen. Zudem ist das Werk auch für alle an der wahren Geschichte des U-Bootkrieges und dem wahren Leben an Bord eines U-Bootes Interessierten so etwas wie eine Pflichtlektüre. Unbedingt empfehlenswert.

U 96 – Realität und Mythos, Der Alte und Lothar Günther Buchheim; Mittler im Maximilian Verlag GmbH & Co. KG; Hamburg; 2. Überarbeitete Auflage; 2020; 232 Seiten; zahlreiche historische Aufnahmen; Format 26 x 24 cm; Fester Einband; ISBN 978-3-8132-0998-3; Preis 29,95 €;